Wenn du Mittwochmorgen in die Bahn steigst, und ein Typ gegenüber liest vertieft in deinem Buch, fühlt sich das wahrscheinlich genauso geil an wie samstagabends in den Club zu kommen, wenn der DJ gerade deine Platte auflegt. Ein unbeschreibliches Gefühl. In diesem Fall ein unbeschreiblich gutes.
Releaseparty für „Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck“
Seit „Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck“ an die Buchhändler der Nation ausgeliefert wurde, ist ein ganzer Monat vergangen. Ein unglaublich aufregender Monat, in dem ich nebenbei wieder eine Menge lernen durfte. Über den Vertrieb zum Beispiel, über Eigen-PR, aber auch, mit negativen Kritiken umzugehen.
Nicht, dass ein Redakteur keine bösen Leserbriefe oder Facebook-Kommentare erhält. Im Grunde gehört das „Gescholten-werden“ gelegentlich genauso zu unserem Job wie das Schelten. Im Fall dieser Buchveröffentlichung geht mir die Kritik allerdings näher.
Wahrscheinlich, weil ich ein Jahr meines Lebens jede freie Minute investierte, um „Frau Steinbeck“ Leben einzuhauchen – aus all den Geschichten, die mir Schulsekretärinnen aus ganz Deutschland erzählt hatten, aus anderen Geschichten, die ganz persönlich sind, meine eigenen.
Klar, Kritik geht nah
Natürlich freust du dich über jeden unerwarteten Zuspruch und jedes Lob. Nicht nur in den Medien. Mehr noch über Mails von Menschen, die du seit Jahren nicht mehr auf dem Radar hattest, sicherlich auch und gerade über Feedback von Freunden. All die Freunde, denen ich über ein Jahr ständig sagen musste, dass ich samstagabends wieder nicht mit in den Club kommen würde, weil ich schreiben wollte. Menschen, die ich in meinem Buch verewigt habe. Als Protagonisten, in Handlungssträngen, als Hommagen.
„Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck“
Doch dann gibt es noch die anderen Menschen. Die schreiben Dinge, die du nicht gern über dein eigenes Buch liest. Das ist okay, aber es geht dir trotzdem nah. Als ich zum ersten Mal las, Frau Steinbeck sei unsympathisch, musste ich wirklich schlucken. Schließlich ist viel von mir selbst in diese Figur eingeflossen, in Désirée Steinbeck, deren Job auf der übergeordneten Ebene ist, die Anekdoten aus den Schulsekretariaten miteinander zu verbinden, sie zusammen zu halten, ohne dabei selbst in den Vordergrund des Buches zu treten. Eine Gratwanderung.
Ich liebe Kitsch
Noch mehr fühlte ich mich getreten, zu lesen, die Liebesgeschichte zwischen Désirée und dem Sportlehrer Max sei kitschig. Abstreiten kann ich es trotzdem nicht. Ich bin kitschig. Ich liebe Kitsch. Und meine Beziehungen liefen zumeist genauso ab: Große Hollywood-Gefühle, großes Drama, große Beherrschung, nicht auszurasten, wenn Max mal wieder nicht auf eine SMS antwortet.
Im wahren Leben höre ich zugegeben schlimmere Urteile über meine Beziehung zu Max als „kitschig“. Ich habe immer gesagt, dass der „Buch-Max“ eine geschönte Version der Realität sei. Der Max, den ich manchmal gern hätte, wenn ich zuhause auf dem Sofa sitze und vor Wut Bierdosen auf ihn werfen könnte. Leider ist nichts wirklich perfekt. Der Max nicht, dieses Buch nicht. Alles andere wäre in Sachen potenzieller Entwicklung auch der Anfang der Perspektivlosigkeit.
Ich persönlich finde übrigens das erste und das letzte Drittel besonders gut, was definitiv an dem „Buch-Max“ liegt, aber auch an den Geschichten, die sich in diesen Teilen befinden. Zugegeben ist es nach dem Schreiben, dem Lektorat und mehreren Korrekturschleifen ziemlich schwierig, überhaupt noch objektiv über eine Episoden urteilen zu können. Weil du die Pointen des Buches in und auswendig kennst.
Stilfragen
Im Regelfall würden wir ja auch nicht laut über den eigenen Witz lachen, der in einer Kritik als „gewürgt“ bezeichnet wurde – ein Tiefschlag, weil er sich auf meinen Schreibstil bezieht, nicht auf den Witz, den die Geschichten aus der Schule mit ihren niedlichen Kids, verrückten Lehrern und überkandidelten Rektoren per se mitbringen.
Wer meinen Blog liest, weiß, dass ich sehr rhythmisch scheibe. Ich liebe Alliterationen, Repetitionen, ich liebe Anspielungen und ausgefallene Sprachbilder. Diesen Stil mag man, oder nicht. Gleiches gilt übrigens für mich als Person. Doch während ich es im Privatleben irgendwann geschafft habe, nicht mehr mit dem Anspruch durch die Welt zu laufen, dass mich jeder mögen muss, ist mir das in Bezug auf „Frau Steinbeck“ noch nicht gelungen.
Umso mehr freue ich mich weiter über all die tollen Bilder, die mir Leser mit dem Buch in der Hand schicken, über die tollen Rückmeldungen, besonders wenn wieder jemand schreibt, dass er bei der Lektüre nicht habe aufhören können, zu grinsen und zu lachen, dass er Schule genauso empfinde, dass er gerade am Strand liege und „Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck“ bereits zum zweiten Mal verschlinge.
Die perfekte Strandlektüre
Wertvolle Erfahrungen
Ich durfte in den letzten Wochen Interviews für Zeitungen und Radiosender geben, habe erlebt, wie sehr die Menschen in meiner Heimat an meiner Freude über die Veröffentlichung teilhaben. Ich erhielt Einladungen für Lesungen und Fotos aus Schulbibliotheken, die „Frau Steinbeck“ in ihr Programm aufgenommen haben. Das macht mich total happy und lässt die eine oder andere böse Kritik verschmerzen. Denn diese Erfahrungen nimmt dir keiner.
„So wohnt Hamburg“ in der Hamburger Morgenpost / Montag, 18. Mai, 2015
Du kannst eben nie allen gefallen. Manchmal willst du auch nur einem gefallen. In meinem Fall, dem Real-Life-Max. Und der hat mir letztens Stellen aus „Frau Steinbeck“ zitiert. Ich glaube, ich war noch nie so glücklich über irgendeinen Leser. Weil ich eben nicht nur die Liebe zum Schreiben in mir trage. In ganz privaten Momenten vor allem die zu Max.
Danke für euren Support,
Maryanto