Shitstorm
Eine Woche später hat die Rationierung des Klopapiers im Sekretariat fast einen Nervenzusammenbruch und in den Toiletten einen handfesten Shitstorm ausgelöst. An den Kabinenwänden. »Das Papier ist unser!« ist dort zu lesen, »Keine Macht der kommunistischen Klopapier-Politik«, oder einfach: »Ich scheiß auf dein Papier! Leck mich!« Unter #klopapierfueralle macht sich die Empörung jetzt auch noch auf Twitter breit. Schlimmer: Auf Instagram posten die Schüler Bilder ihrer Hinterteile in den Toilettenräumen. Zwar mit Hosen an, dafür aber mit dem Kommentar: »Wir sind nicht ganz sauber. #klopapierfueralle.« »Wenn jetzt noch die YouTuber kommen, könnte es unappetitlich werden«, lacht Melitta. »Stell dir mal vor. Der Selbsttest: Kacken ohne Klopapier.« »Wenn Sie kein Papier haben, sollen sie sich doch mit Abschminktüchern sauber machen«, murmele ich, nachdem wir grob überschlagen haben, wie viel mehr Durchgangsverkehr uns das ständige Verstopfen der Toiletten bisher gekostet hat. »Nicht wahr, Melitta-Antoinette?!« Die Antwort wird von einer Revolte übertönt, wie sie die Welt wahrscheinlich seit der Französischen Revolution nicht mehr erlebt hat, zumindest nicht in einem Schulsekretariat. »Gebt uns das Papier zurück!« Redeführer Stobi und rund zehn weitere Zehntklässler stehen mit verschränkten Armen vor der Theke. Leckt mich doch, denke ich. Und sage stattdessen scheißfreundlich: »Gibt es hier irgendein Problem?!« »Klopapier in die Kabinen«, rufen die Schüler im Chor. »Papier zurück, Papier zurück!« Wie viele Demonstrationen, halte ich auch diese lediglich für einen guten Grund, irgendetwas anderes zu schwänzen. Zum Beispiel Kunst bei André. Die hohe Kunst der Diplomatie ist hier zumindest kein Thema – ebenso wenig wie im Nebenzimmer. Als sich die Tür des Rektorats öffnet, erwarte ich das Schlimmste. »Was ist das denn für ein Lärm?«, brüllt Hildebrandt-Fricke lauter, als alle elf Schüler zusammen es jemals könnten …