Polonäse

Eine Stunde später fliegen mir fast die Löcher aus dem Käse. Vor mir lehnt sich Sandra Weinhardt an die Theke, als wollte sie einen Whiskey bestellen. Irgendwie erinnert sie mich an Jennifer Lopez vor zehn Jahren. Wallemähne, Riesenkreolen und einen Hauch von Nichts über dem prallen Hintern, den sie kess aus der Hüfte Richtung Tür streckt. Beindruckender ist jedoch die Polonaise aus fünf Kindern, die sich jetzt neben der Mutter am Tresen aufreihen. Perfekt nach Größe geordnet. »Das ist Tanisha Michelle, ich soll sie für die erste Klasse anmelden«, stellt sie mir das Mädchen direkt neben sich vor. Tanisha erinnert mich ein bisschen an Britney Spears vor zehn Jahren. Irgendwie too much von allem, nur an Textilien wurde gespart. »Freut mich«, begrüße ich die kleine Blondine und gebe ihr freundlich die Hand. Bevor meine Befürchtungen, die beiden könnten gleich ein Mutter-Tochter- Duett starten – einen iPod-Kopfhörer hat Sandra zwecks musikalischer Untermalung ihres Besuchs noch im Ohr  –, habe ich auch schon das Anmeldeformular in der Hand. »Das ist doch schön, bitte füllen Sie doch gerade diesen Infobogen aus.« 21 geplatzte Kaugummiblasen aus sechs Mündern später, zehn davon aus dem Muttermund, setzt Sandra Weinhardt endlich den Stift ab und gibt mir das Papier zurück. »Perfekt«, sage ich und gehe ihre Angaben durch. Name des Kindes, Adresse, Name der Mutter. »Frau Weinhardt, Sie haben vergessen, den Namen des Vaters einzutragen.« Sie schaut mich ernst an. »Soll ich die wirklich alle da eintragen?« Ich schaue auf die Reihe kauender Kids und möchte vor Lachen platzen wie ihre Kaugummiblasen. »Nein«, sage ich beherrscht. »Es reicht, wenn sie Tanishas Vater angeben.« Es ist einer dieser Momente, in denen es mir wirklich schwerfällt, an mich zu halten.